Was Sie über Putzfrauen nicht wissen
Sie sind Teil unseres Lebens, wirken aber oft im Verborgenen. Wir räumen mit ein paar Irrtümern auf
Sie heissen Maria, Rosinda oder Josepha, viel mehr wissen wir nicht. Unsere Wohnung ist der einzige Ort, wo sich unsere Welten kreuzen. Wenn sie kommen, sind wir meistens weg. Wenn wir heimkehren, sind nicht nur Dreck und Unordnung verschwunden, sondern bestenfalls auch sie. Das macht Putzfrauen schwer zu fassen. Wer sind sie, wovor graut es ihnen und was ist das grösste Missverständnis? Wir haben bei Reinigungsprofis nachgefragt.
Zahlen wir unseren Putzfrauen genug?
Auf den ersten Blick ja. Die Plattform Quitt.ch, die Lohnabrechnungen von über 17’000 Haushaltshilfen erledigt, hat analysiert, wie viel Frau und Herr Schweizer ihren Putzhilfen bezahlen. Am höchsten sind die Bruttolöhne mit 31.70 Franken pro Stunde in Zürich, gefolgt von Nidwalden mit 31.60 Franken. Als Faustregel haben sich in Privathaushalten 25 Franken netto eingebürgert. Multipliziert mit 8, ergibt das 200 Franken pro Tag, 1000 Franken pro Woche und einen Monatslohn von 4000 Franken. Darin sind jedoch weder Ferien noch Feiertage, noch der 13. Monatslohn eingerechnet, für die man fast 20 Prozent abziehen muss. Bleiben also noch etwas mehr als 3200 Franken.
Bloss: Dafür müssen Putzfrauen deutlich mehr als 100 Prozent schuften. «Viele investieren zehn bis zwölf Stunden, um auf acht bezahlte Arbeitsstunden zu kommen », sagt Pia Tschannen, Autorin von «Putzen in der sauberen Schweiz» und Geschäftsleiterin der Berner Firma Proper Job by Fairness at Work, die Putzpersonal vermittelt und sich für faire Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung in der Reinigungsbranche einsetzt. Das liegt daran, dass schnell eine halbe bis eine Stunde Fahrtweg draufgeht, um von einer Wohnung zur nächsten zu kommen – Zeit, die Vermittlungsagenturen oft nicht vergüten.
Gibt es eigentlich auch Schweizer Putzfrauen?
Ja, sogar sehr viele. «Von den rund 1700 Frauen, die wir beschäftigen, stammen etwa 70 Prozent aus dem Ausland. Aber die Schweizerinnen haben mit einem Anteil von 30 Prozent immer noch diejenige Nationalität, die am stärksten vertreten ist», sagt Adrian Gsell, Geschäftsführer des Reinigungsunternehmens Putzfrau.ch, das auf Privathaushalte spezialisiert ist und bei über 9000 Kunden sauber macht.
Wovor graut es ihnen am meisten?
«Staubsaugen ist bei vielen eher unbeliebt, weil man dem Lärm ausgesetzt ist», weiss Pia Tschannen von Proper Job. Auch um Wohnungen mit Treppen oder Tieren reissen sich die wenigsten. Den meisten bleibt aber keine Wahl. «Als ich ganz frisch angefangen habe, nahm ich alle Aufträge an, die ich bekommen konnte», erzählt die selbstständige Putzfrau Ruth Dürr aus Niederbipp BE, die ihr Hobby – sie organisierte Mikrofasertücher-Partys für Freunde und Bekannte – vor bald zwanzig Jahren zum Beruf gemacht hat. Damals fand sie sich zuweilen in Wohnungen wieder, die ihr ein Graus waren. «Bei einer wusste ich fast nicht, wo ich beginnen sollte, da waren Zigarettenstummel, überall Tierhaare, schmutziges Geschirr. Es war so dreckig, dass ich noch drei, vier Stunden länger hätte putzen können.» Am unangenehmsten seien aber Umzugsreinigungen. «Sie sind wirklich keine Freude, und ich bin froh, dass ich solche Aufträge nicht mehr annehmen muss.»
Ist man fein raus, wenn man seine Reinigungskraft über eine Agentur bucht?
Ganz und gar nicht. Ein prominentes Beispiel ist die Plattform Batmaid mit Aushängeschild Martina Hingis, die nach dem Uber-Prinzip funktioniert. Wegen einer rechtlichen Grauzone muss sich die Vermittlungsagentur – anders als die klassischen Reinigungsfirmen – nicht an den GAV für die Reinigungsbranche halten, weswegen die Putzfrauen weder Krankentaggelder noch Pensionskassenbeiträge erhalten. Auch Entschädigungen für Ferien- und Feiertage oder Arbeitswege zwischen den Wohnungen gibt es nicht. Was Kunden im Geiz-ist-geil-Rausch oft nicht realisieren: Sie bleiben die Arbeitgeber der Putzfrauen – und müssen alle Risiken tragen, zum Beispiel für allfällige Schäden.
Wie gesundheitsschädigend ist der Job?
«Im Bereich Haushalt schafft es kaum jemand, Vollzeit zu arbeiten, zu stark wird der Körper durch das ständige Bücken und die Fehlhaltungen beansprucht», sagt Adrian Gsell von Putzfrau.ch. «Bei uns liegt das höchste Pensum bei 50 Prozent. Einige putzen nebenher noch in Geschäftsgebäuden, das ist körperlich viel weniger anstrengend, als Wohnungen auf Hochglanz zu bringen.»
Die selbstständige Putzfrau Ruth Dürr kann das bestätigen. «Putzen ist ein ziemlicher Krampf, es ist körperlich sehr intensiv, vor allem wenn du bestimmte Aufgaben in einer begrenzten Zeit erledigen musst.» Sie ist vormittags und nachmittags jeweils drei Stunden in Privatwohnungen im Einsatz, und dies fünf Tage die Woche. Dazu putzt sie alle 14 Tage abends ein Büro. Das geht nicht spurlos an ihr vorbei. «An den Fingern macht sich Arthrose bemerkbar, und ich spüre den Rücken und die Gelenke.»
Stimmt es, dass Putzen für die meisten nur ein Nebenverdienst ist?
Nein. «Das Argument, dass viele mit Putzen bloss einen Zustupf verdienen wollen, wird immer wieder vorgebracht, um den tiefen Lohn zu rechtfertigen. Tatsächlich arbeiten nur die wenigsten Putzfrauen nebenher», sagt Pia Tschannen von Proper Job. Sie müssten damit ihre Existenz sichern und oft sogar den Hauptanteil zum Familieneinkommen beitragen. «Die meisten kombinieren verschiedene Jobs. Sie putzen etwa nach Betriebsschluss ein Restaurant, reinigen frühmorgens Bürogebäude, und den Rest füllen sie mit Aufträgen von Privaten auf.»
Welches ist der beste Putzfrauen-Trick?
«Das Wichtigste, was wir an unserer Akademie lehren: Eine geputzte Wohnung wird dann als besonders sauber empfunden, wenn sie aufgeräumt ist. Details sind entscheidend: Deswegen achten unsere Angestellten darauf, Kissen auf dem Sofa zu drapieren, sie stellen herumliegende Hausschuhe ordentlich hin oder legen im Bad den Fön zurück an seinen Platz. Das macht einen riesigen Unterschied», sagt Adrian Gsell.
Wie viele Schweizer beschäftigen ihre private Reinigungskraft schwarz?
Immer noch sehr viele. Die frühere Bundesrätin Doris Leuthard hat der Schwarzarbeit zwar schon 2007 offiziell den Kampf angesagt, und es gibt seither viele einfache Möglichkeiten, eine Anstellung legal abzuwickeln. Aber im Reinigungsbereich hat sich die Situation trotzdem kaum verbessert. Belastbare Zahlen liegen naturgemäss keine vor. «Ich schätze aber, dass 70 Prozent der Haushalte ihre Putzfrau nicht legal angemeldet haben», sagt Adrian Gsell.
Wann ist der beliebteste Putzfrauentag?
«Wohl jede unserer Mitarbeiterinnen ist zuerst am Donnerstag und dann am Freitag ausgebucht, weil es alle vor dem Wochenende sauber haben wollen», sagt Pia Tschannen.
Warum haben Frauen oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie eine Haushaltshilfe beschäftigen?
Das hat viel mit dem Rollenbild zu tun. Putzarbeiten werden mehrheitlich von Frauen übernommen, und zwar kostenlos. Wenn Kundinnen diese Aufgabe auf eine andere Frau abwälzen, nagt an vielen das Gefühl, das Rollenbild damit weiter zu zementieren. Das schürt das schlechte Gewissen. Erst recht, wenn sie im Zwangs-Homeoffice nicht wie sonst die Augen davor verschliessen können, dass die Putzfrau die ganze Wohnung schrubbt, während sie nicht viel mehr tun müssen, als ein paar Mails zu schreiben, und dafür mehr als doppelt so viel verdienen.
Wie viel vom Geld, das wir der Reinigungsfirma überweisen, wird tatsächlich an die Putzfrau ausbezahlt?
Gemäss dem GAV der Reinigungsbranche sind Putzunternehmen verpflichtet, ihren ungelernten Angestellten mindestens einen Bruttostundenlohn von 19.20 Franken zu bezahlen, dazu eine Ferien- und Feiertagsentschädigung, einen 13. Monatslohn und je nach Anzahl Stunden eine Krankentaggeldversicherung. Die meisten Firmen verlangen von ihren Kunden mindestens 40 Franken pro Stunde, um alle Kosten zu decken. Viele finden das übertrieben und sagen: «So viel verdiene ich ja selber kaum.»
Was ist das grösste Missverständnis?
Dass viele meinen, sie würden für eine saubere Wohnung bezahlen, also für ein Produkt. Es ist aber der Lohn, für den sie aufkommen müssen. Sobald man eine Putzfrau privat anstellt, wird man zu ihrem Arbeitgeber und ist unter anderem zu einem Mindestlohn und einer Ferienentschädigung verpflichtet.
Warum haben wir so hohe Erwartungen, wollen aber möglichst wenig bezahlen?
Weil wir wissen, dass es nichts kostet, wenn wir unser WC selber schrubben, und deswegen nicht mehr als zwingend nötig dafür ausgeben wollen. Umgekehrt sind die Erwartungen überproportional hoch. «Viele haben das Gefühl, dass eine Dienstleistung, die sie selber gratis erledigen könnten, besonders gut sein muss, wenn sie dafür bezahlen», sagt Adrian Gsell von Putzfrau.ch. Seitdem es zum Lifestyle geworden sei, sich auch mit einem durchschnittlichem Verdienst eine Putzfrau zu leisten, seien die Qualitätsansprüche spürbar höher geworden. «Aber wir können ja keine Wunder bewirken, immerhin benutzen wir dieselben Putzmittel wie unsere Kunden.»
Von Denise Jeitziner