Männer, ran an den Mopp!
Schrubben, Staubsaugen, Fensterputzen: Für den modernen Mann eine Selbstverständlichkeit, denn Gleichstellung gilt natürlich auch bei der Hausarbeit. Oder etwa nicht? Und wie putzt man richtig?
95 Quadratmeter, drei Zimmer, Küche, Bad – das ist die Arena, in der ich jede Woche, spätestens aber alle vierzehn Tage den Kampf aufnehme gegen Schmutz, Kalk, Fett, herumliegende Haare. Und gegen Rollenbilder, die fast genauso hartnäckig sind wie die Schimmelspuren auf den Fugen im Badezimmer. Denn Männer, so heisst es in vielen Studien, machen sich beim Thema Putzen immer noch zu gerne aus dem Staub. (Wenngleich sie jetzt, da die meisten von ihnen ohnehin den ganzen Tag im Büro zu Hause verbringen, nicht weit kämen.)
Ich hingegen zähle mich selbstverständlich zu jenen, die Putzlappen und Wischmopp mindestens so gewandt einzusetzen glauben wie Frauen. Diese Haltung gibt mir viele Freiheiten. Ich habe meiner Freundin vor ein paar Jahren einen Staubsauger zu Weihnachten geschenkt. Nicht irgendeinen zwar, das Gerät hat eine Saugleistung von bis zu 2200 Watt und ist dank mehreren auswechselbaren Filtern auch für Allergiker geeignet. Doch selbst wenn die Maschine den Boden nicht nur saugen, sondern gleichzeitig feucht aufnehmen würde – hätte ich das guten Gewissens tun können, einer Frau einen Staubsauger schenken? Wenn nicht von Anfang klar gewesen wäre, dass ich damit genauso oft durch unsere Wohnung jagen würde wie seine eigentliche Besitzerin?
Staubschleuder Mensch
Ob ich es auch richtig mache, ist indes eine ganz andere Frage. Der Shutdown ist eine gute Gelegenheit, das herauszufinden. Schliesslich gilt der Mensch als eine der wichtigsten Staubschleudern überhaupt: Pro Sekunde sondern wir bis zu 30 000 Teilchen ab – Schuppen, Härchen, Haare, Fasern von Textilien und Schuhen. Hinzu kommen Krümel unterschiedlicher Herkunft (Erde, Brot, Guezli und so weiter), Bakterien sowie winzige und daher fast immer unentdeckte Milben, die sich wiederum von unseren Hautschuppen ernähren – der Schmutz vermehrt sich quasi von selbst. Die Forschung geht davon aus, dass sich in einem durchschnittlichen Haushalt pro Tag und Quadratmeter gut 6 Milligramm Staub bilden. Im Dauer-Home- Office dürften es deutlich mehr sein. Wie putzt man also richtig? Fragen wir Adrian Gsell, Gründer und Inhaber von Putzfrau.ch, einer Reinigungsagentur, die auf Privathaushalte spezialisiert ist und rund 1700 Putzfrauen in fast allen Landesteilen beschäftigt. In den Anfangszeiten seiner Firma hat der Unternehmer selber geputzt. Nun ist er auf dem Smartphone zugeschaltet und wirft einen prüfenden Blick in unser Wohnzimmer.
Falsch gewischt, jahrelang
«Ich würde nun als Erstes Boden und Teppich staubsaugen», sage ich. Das mache ich immer so, zum Aufwärmen, sozusagen. Doch der Experte ist anderer Meinung. Sein erster Tipp: «Denken Sie an Ihren Energiehaushalt. Wir fangen immer mit den anstrengenden Arbeiten an.» Ausserdem gelte das Prinzip von oben nach unten: zuerst die Ablagen, Möbel, Fenster, dann den Boden. Damit man den heruntergewischten Staub ebenfalls erwischt.
Also hinüber in die Küche. Ich versuche, mit unserem Arsenal an Putzmitteln zu punkten: Küchenreiniger (Spray), Allzweckreiniger (Flasche), Chromstahl- und Glaskeramikreiniger (ebenfalls in der Flasche). Gsell ist nicht beeindruckt, denn auch hier treten grundsätzliche Schwächen zutage. Natürlich müsste man, erstens, vor dem Putzen der Ablage alles abräumen: Brotkasten, Toaster, Müeslibox, Abtropfgestell. Was ich allerdings kaum je gemacht habe. Und es zeigt sich, zweitens, dass Amateure häufig zu viele Produkte und diese erst noch falsch verwenden. Für die Küchenablage etwa reichen lauwarmes Wasser und etwas Geschirrspülmittel – das auf den Putzlappen zu geben ist, nicht auf die zu reinigende Fläche, wie Gsell betont. Das schont die Umwelt und das Portemonnaie. Stark verschmutzte Stellen am Herd lassen sich – ebenfalls auf dem Lappen aufgetragen – mit einem Fettlöser beseitigen. Ein Punkt für unseren Küchenspray!
Von handelsüblichen Flüssigkeiten für Chromstahl und Glaskeramik jedoch hält der Putzunternehmer nichts, da sie Oberflächen aufrauen und der Schmutz so besser haften kann. Seine Putzfrauen verwenden stattdessen eine spezielle Paste zum Polieren. Das hat den Effekt, dass Wasser besser abperlt, wodurch das Ganze länger sauber bleiben soll. Klingt einleuchtend. Wir haben – so stelle ich später fest – einen Putzstein im Schrank, der ähnlich funktioniert, den ich aber noch nie benutzt habe. Und nicht nur das: Bei der schwer zu erreichenden Stelle unter dem Toilettenrand habe ich mich bisher ausschliesslich auf die WCEnte oder ein Nachahmerprodukt verlassen. Dass man dort auch putzen sollte mit der Bürste, ist mir bis zur Inspektion von Adrian Gsell verborgen geblieben. Ebenso, dass unser Wischmopp mit den nicht mehr ganz so frischen Fäden den Dreck am Boden nur verteilt, statt ihn aufzunehmen. Und dass wir genau aus diesem Grund einen zweiten Mopp besitzen, einen mit Platte und waschbarem Untersatz aus Baumwolle. Den ich ebenfalls noch nie in der Hand hatte.
Mein Selbstbewusstsein als Hausmann ist erschüttert. Meine Freundin ist mir um Längen voraus. Sie wusste, dass man die Toilette unter dem Rand auch mit der Bürste bearbeiten sollte. (Auch wenn sie es selber nicht immer macht, wie sie auf Nachfrage einräumt.) Sie nimmt den Boden richtig auf. Ihre Sorge wegen Schimmelflecken im Badezimmer, meine Geringschätzung dieser Problematik erscheinen in einem neuen Licht: Ich habe mir jahrelang etwas vorgemacht. Ich wollte den Schmutz nicht sehen, hielt mich für etwas Besseres, denn, so sagte ich mir, ich putze ja, selbstverständlich. Was will man mehr?
So geht es vielen Paaren. Frauen verbringen 4,5 Stunden pro Woche mit Putzen und Aufräumen, Männer kommen laut dem Bundesamt für Statistik nur auf 1,9 Stunden. Von Gleichstellung kann keine Rede sein, zumal sich der «gender clean gap» vergrössert, wenn man nur Familien mit Kindern betrachtet. Familienväter putzen kaum mehr als der Durchschnitt aller Männer (2 Stunden), Mütter hingegen schrubben deutlich mehr als die weibliche Bevölkerung insgesamt (6,5 Stunden).
Putzmuffel unter uns
Nun könnte man versucht sein, diese ungleiche Verteilung mit der ebenso ungleichen Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern zu erklären: Trotz steigender Beschäftigungsquote arbeiten Frauen immer noch deutlich häufiger Teilzeit als Männer, also haben sie auch mehr Zeit zum Saubermachen.
Doch so einfach ist es nicht, im Gegenteil. Männer sollten eigentlich mehr putzen, denn ihre berufstätigen Frauen haben dafür weniger Zeit als früher, wie aus einer Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bis 2016 hervorgeht. Doch während Frauen laut dieser Untersuchung immer noch gut 2 Stunden täglich putzen, kochen, Wäsche waschen, machen Männer nur 52 Minuten mit, 17 Minuten mehr als 1992. Die klare Aufgabenteilung zeigt sich übrigens auch sonntags, wenn Männer kaum auf ihren stressigen Job verweisen können, um nicht putzen zu müssen.
Ob sich das ändern wird? Die Putzfrauenagentur von Adrian Gsell vermittelt ausschliesslich Frauen – seine Kunden wollen das so, wie er zu Beginn seiner Unternehmertätigkeit erfahren hat. Für drei Viertel der befragten Männer und Frauen einer amerikanischen Studie ist Putzen ebenfalls Frauensache; Männer hingegen sollten sich eher ums Auto und um den Garten kümmern. Hinzu kommt, dass sich viele Frauen offenbar selber in eine schwierige Lage bringen: Sie wollen einen möglichst perfekten Haushalt führen, weil sie meinen, dass ihre Männer das von ihnen erwarten. Und weil sie deren Putzkünsten nicht trauen, machen sie es lieber selber. Wodurch sie überkommene Rollenbilder ungewollt bestätigen.
Meine Freundin sieht das zum Glück pragmatisch. Ob Fädenmopp oder Plattenmopp – Hauptsache, es wird geputzt! Doch darauf sollte Mann sich nicht ausruhen; beim Videotelefonat mit Adrian Gsell habe ich einiges gelernt. Hier noch ein paar weitere Tipps vom Profi.
Lappen
«Wir empfehlen Tücher aus Mikrofasern, damit lassen sich Oberflächen in Küche und Badezimmer auch mechanisch reinigen. Nicht zu fest drücken. Und nicht auf geöltem Parkett, Holztischen oder Lederpolstern verwenden, Naturprodukte könnten austrocknen! Dort ist Baumwolle gefragt. Stahlwolle und die raue Seite von Schwämmen nur bei Töpfen einsetzen, Kratzgefahr!»
Fenster
«Putzen Sie bei einer Aussentemperatur von mindestens 10 Grad – das Wasser soll schnell verdunsten, auf dem Glas sollen keine Schlieren zu sehen sein. Daher neben Spülmittel auch etwas Ethanol in einen Eimer lauwarmes Wasser geben. Putzen mit einem Schwamm, abziehen mit einem Fensterwischer von links nach rechts nach links – nicht von oben nach unten. Das Wasser unten mit einem Tuch auffangen und damit den Fensterrahmen putzen.»
Staubwedel
«Viele Leute haben einen, aber sie benutzen ihn völlig falsch. Man muss ihn zuerst fest reiben, also elektrostatisch aufladen, damit er den Staub wie ein Magnet anziehen kann. Nach dem Abstauben nicht ausklopfen, so geht er kaputt. Sondern den Staubwedel wie einen Pfeil in die Hand nehmen und so auf einer Linie nach vorn und hinten schütteln.»
Von Robin Schwarzenbach