Glänzende Hilfe
Reinlichkeit Jeder siebte Schweizer bezahlt inzwischen fürs Putzen. Speziell WGs vermeiden so Streit
Die Küche ein Schlachtfeld, das Wohnzimmer versinkt im Chaos und im Bad hat sich ein Teppich aus Haaren ausgelegt. Die wenigsten zählen Putzen zu einer beliebten Wochenendaktivität oder Feierabendbeschäftigung. Am meisten hassen die Schweizer das Fensterputzen. Dies hat eine Umfrage des Immobilienportals Immowelt von 2016 gezeigt. Auf Platz zwei und drei folgen Bügeln und Toilette putzen. Mehr als drei Stunden putzen die Schweizer pro Woche, wie die Zahlen des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2016 zeigen. Die Frauen putzen dabei mit rund viereinhalb Stunden mehr als doppelt so viel wie die Männer, die rund zwei Stunden putzen.
Immer mehr leisten sich aber eine Reinigungskraft, die ihnen die mühsamen Arbeiten abnimmt. Der Vergleichsdienst Comparis geht gemäss einer Umfrage des letzten Jahres davon aus, dass jede siebte Person in der Schweiz putzen lässt. Zwei Drittel haben die Reinigungskraft privat, also nicht über eine Agentur, angestellt. Offizielle Zahlen, wie viele Schweizer Haushalte eine Reinigungskraft beschäftigen, gibt es keine.
Es ist längst nicht mehr nur die gutbetuchte Oberschicht, die sich Hilfe im Haushalt leistet. Adrian Gsell, Inhaber von putzfrau.ch, sagt: «Als ich meine Putzfrauenagentur vor 15 Jahren gründete, ging ich von einer Hauptzielgruppe aus: den DINKs – double income no kids. Junge, kinderlose Paare im urbanen Raum.» Doch bald habe er gemerkt, dass es eine weitere wichtige Zielgruppe gebe: Familien auf dem Land mit Wohneigentum, Kindern und Haustieren. Rund dreieinhalb Stunden pro Woche beschäftigen diese im Schnitt eine Putzfrau. «In der Stadt putzen unsere Angestellten in der Regel alle zwei Wochen während zweier Stunden. Denn da sind die Kunden meist junge Leute, die viel unterwegs sind, intensive Hobbys pflegen und fast nur zum Schlafen nach Hause kommen», erklärt Gsell.
Die allermeisten sind Migranten
Überraschenderweise ist die Nachfrage auch bei Wohngemeinschaften stark gewachsen. «Eine Reinigungskraft zu haben, ist in vielen WGs zum Standard geworden», sagt Gsell. Ihn erstaunt dies nicht weiter: «Wer wie viel putzt, ist neben dem leer gegessenen Kühlschrank der häufigste Streitpunkt in WGs.» Mit dem Engagieren einer Putzfrau könne dieser Streitpunkt umgangen werden.
Dass der Bedarf nach professionellem Reinigungspersonal in Privathaushalten steigt, merkt man auch bei Allpura, dem Verband Schweizer Reinigungsunternehmen. Immer mehr mittlere und kleinere Firmen bieten ihre Dienste auch Privatpersonen an. Rund 65 000 Mitarbeitende sind in den Deutschschweizer Reinigungsunternehmen tätig. Die meisten davon arbeiten Teilzeit, und sehr viele haben ausländische Wurzeln: Der Migrationsanteil beläuft sich laut Angaben des Verbands auf rund 95 Prozent. Das bedeutet, dass ungefähr vier Prozent der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer in diesem Bereich tätig sind. Dazu kommen noch die privat angestellten Putzkräfte, die in keiner Statistik erfasst sind – und oft auch von keiner Versicherung.
«Ein grosser Teil der Haushaltungen stellt ihre Reinigungskräfte nach wie vor illegal an», beobachtet Adrian Gsell. Gemäss der Comparis-Umfrage hat ein Viertel der Befragten ihre Putzkraft nicht bei der Sozialversicherung angemeldet und fast die Hälfte zahlt keine Unfallversicherung. Damit sind oft gerade jene Reinigungskräfte nicht gegen Unfälle versichert, die nicht speziell auf die möglichen Gefahren ihrer Tätigkeit sensibilisiert sind.
Schlecht für die Lunge In der zwei- oder dreijährigen Berufslehre zum Gebäudereiniger oder zur Gebäudereinigerin sind dagegen der sichere Umgang mit Chemikalien und mit Geräten wie Hochdruckreiniger und Hebebühnen wichtige Themen. Doch nicht alle Risiken lassen sich durch eine professionelle Ausbildung minimieren. Eine Studie mit Schweizer Beteiligung zeigte kürzlich, dass die Lungenfunktion bei Frauen, die beruflich oder im Haushalt putzen, mit dem Alter überdurchschnittlich abnimmt. Auch Asthma kam bei ihnen häufiger vor. Zudem ergab eine belgische Studie, dass die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) bei Reinigungspersonal eine doppelt so häufige Todesursache ist wie bei der Durchschnittsbevölkerung.
Im Alltag des Reinigungspersonals sind es dagegen oft ganz andere Ärgernisse, die ihnen das Berufsleben schwer machen: Kunden, die nicht aufgeräumt haben. Kinderzimmer, durch die ein Wirbelsturm gefegt ist, oder Wohnzimmer mit Auslegeordnung machen eine gründliche Reinigung schwierig. «Putzen ist eben kein klassisches Kunden-Dienstleister-Verhältnis, sondern immer auch ein Miteinander», sagt Gsell.
Von Patrizia Messmer und Niklaus Salzmann